Weil das liebe Thema „DEMENZ“ gerade ein Riesen-Pinkerl für uns ist, möchte ich meine Kolumne aus dem Mostviertel-Magazin (www.momag.at) mit euch teilen, die ich für die Ausgabe im Juni 2017 über meine Oma und mich/uns geschrieben habe.

„Vergiss mein nicht“

Wir haben zwei Kinder. Oft haben wir gerade ein drittes „Wunder-Kind“. 86 Jahre alt ist meine Oma, eine erwachsene Frau. Sie entwächst aber gerade unserer Welt. Es fühlt sich an, als würde sie zu unserem Kind. Unsere 5jährige Tochter erklärte ihr kindlich ehrlich: „OmaOma, du bist ein Vergiss-mein-Nicht!“ Oma nickte mit leerem Blick.

Oma ist körperlich fit wie ein junges Reh. Sie schnauft nur etwas mehr und beklagt sich über den weiten Weg beim Spazierengehen. Das tat sie früher nie. Täglich rannte sie um fünf Uhr los: in den Stall, zu den „Stumpfabledan“, zum Herd, zur Waschmaschine, zu ihren vier Buben, hinter uns Enkerl her, wieder zu den Kühen, dann noch ins Gartl zu den Salatpflanzen und die Hühner einsperren. Jetzt würde sie gerne zu den Hühnern, aber die Klinke am Hühnerstall fehlt. Sie hat die Hühner 5 mal am Tag „gewassert“. Das war zu viel des Guten. Sie ist praktisch für nichts mehr am Hof zu gebrauchen. Sie kehrt zusammen, streut aber gleichzeitig die Misthaufen auseinander.

Oma merkt, dass sie viel vergisst, unbrauchbar wird. „Oid werden is net schei“, sagt sie, mir brennts im Herz. Wir knacken Walnüsse. Ich möchte, dass sie sich gebraucht fühlt. Sie wirft zum 149. Mal die Schalen zu den guten Kernen. Zum 97. Mal entschuldigt sie sich dafür. „Des is wirklich a bleds Öta!“, sagt sie. Ich möchte am liebsten genervt bejahen. Ich sage wir können Pause machen. Sie schält blitzschnell die Birne. Abbeißt sie nicht. „Bin eh schon wieder da“, sagt sie hurtig. „Oma, beiß rein, wir haben Zeit!“ „Faulheit macht die Glieder lahm“, sagt sie.

Heute hat sie einen Strauß Vergiss-mein-nicht vom Spazieren gehen in der Hand. Sie schaut die blauen Blümchen an: „Ich weiß nicht wie die heißen, sag du es mir!“ „Oma, das sind deine Lieblingsblumen.“ „Ich werde dich nie vergessen“, würde ich am liebsten sagen. Ich beiße mir auf die Lippen. Wer weiß, ob mich das „blede Öta“ nicht auch einmal erwischt? Ich hab dich lieb, du unser „wunder-volles“ Vergiss-mein-nicht!

Nachzulesen  im E-Paper vom Mostviertel Magazin: http://www.momag.at/epaper/momag352/#8/z

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